Folge 2: Theorien in der Physik

Was macht eine Theorie in den Naturwissenschaften und vor allem in der theoretischen Physik aus? Was kann sie leisten und wie nahe können wir der Realität der Dinge, die uns umgeben, kommen?

Klingt abstrakt, ist es auch zu großen Teilen. Allerdings sprechen wir auch über die Physik eines Kieselsteins, über die Temperatur im Raum, die sich von Ort zu Ort und mit der Zeit ein wenig ändert, und schließlich von Quantenfeldern, die unsere beste Beschreiung dafür sind, was die Welt im Innersten zusammenhält.

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Zusatztext

Natur

Wir sind umgeben von belebter und unbelebter Natur. Sie ist alles, was uns umgibt. Wirklich alles? Für unsere Betrachtungen wollen wir ein paar Dinge ausschließen: Alle geistigen, kulturellen, künstlichen und technischen Errungenschaften, die von uns selbst – von Menschen – geschaffen wurden, wollen wir zumindest vorerst nicht als Teil der Natur sehen, die wir versuchen wollen zu beobachten, uns zu erklären und so genau wie möglich zu beschreiben.

Was sehen wir, wenn wir diese Natur betrachten? Vieles wirkt vielleicht erst einmal chaotisch und unbestimmt, doch schnell stellen wir fest: Es gibt Regelmäßigkeiten, Gesetze und immer wiederkehrende Muster. Das fängt mit so Simplem an wie, dass die Sonne jeden Tag aufgeht. Jeden Tag! Scheinbar ohne Ausnahme.

Wenn es diese Gesetzmäßigkeiten zu geben scheint, können wir dann ein Regelwerk aufstellen und versuchen, die natürlichen Phänomene, die uns umgeben, vorherzusagen? Genau das möchten die Naturwissenschaften – und ganz besonders die theoretische Physik – leisten. Sie möchten ein Regelwerk – oder auch Erklärmodell – aufstellen, das Teile der Natur beschreibt, zu einem gewissen Grad erklärt und überprüfbare Vorhersagekraft besitzt. Das wollen wir Theorie nennen.

Was ist ein „gutes“ Regelwerk

„Ich werfe einen Stein hoch, und er kommt wieder hinunter.“ Das ist natürlich eine Vorhersage – und sie ist auch überprüfbar, solange man einen Stein zur Hand hat. Doch scheint es ein wenig unbefriedigend, lediglich eine so vage Aussage zu treffen. Wir wollen nicht nur vorhersagen, dass er wieder hinunterkommt – wir wollen sagen, wie hoch er fliegt, welche Bahn er nimmt, wie schnell und wo er auf dem Boden auftrifft. Das heißt, wir wollen eine Theorie, die so präzise ist wie möglich.

Zugleich sollte eine Theorie nicht überladen sein. Wir sollten uns ganz genau überlegen, wie wir die physikalischen Objekte definieren, die wir beschreiben wollen, und darauf achten, dass wir uns nicht mit Nebensächlichkeiten beschäftigen, die den theoretischen Rahmen aufblähen und ihn so höchstwahrscheinlich weniger praktikabel machen. Unsere ersten beiden Anforderungen an ein gutes Regelwerk lauten also: Es soll so präzise und dabei so einfach wie möglich sein.

Natürlich muss es auch widerspruchsfrei und in sich logisch sein. Wenn es eine Theorie ermöglicht, für ein und dasselbe Phänomen zwei verschiedene Vorhersagen zu machen – es zum Beispiel zwei verschiedene Rechenwege gibt, die verschiedene Ergebnisse liefern –, dann sollten wir sie verwerfen.

Nicht zwingend erforderlich ist hingegen, dass eine Theorie allumfassend ist. Es ist vollkommen legitim, ein Regelwerk für eine bestimmte Klasse von Phänomenen zu entwickeln – und sie klar von anderen abzugrenzen. So verwenden wir etwa die Newtonsche Mechanik, die Quantentheorie, die Relativitätstheorie oder die Maxwellsche Theorie, um Vorhersagen über ganz unterschiedliche Bereiche unserer Natur zu treffen.

Ein fundamentales Hilfsmittel: Die Mathematik

Ein fundamentales Hilfsmittel beim Aufstellen einer Theorie ist die Mathematik. Insbesondere sie erlaubt es uns, die Phänomene der Natur präzise zu beschreiben – nicht in Worten, sondern in Zahlen, Gleichungen und Strukturen. Oft modellieren wir Objekte der Natur dabei als mathematische Objekte: zum Beispiel durch Koordinaten, die sich mit der Zeit verändern. Ein fallender Stein wird so zu einem Punkt im Raum, dessen Höhe, Geschwindigkeit und Richtung sich mathematisch fassen lassen.

Die Dynamik solcher Objekte – also wie sie sich verändern – beschreiben wir dann durch mathematische Gleichungen. Diese Gleichungen bilden das Herzstück vieler Theorien: Sie sagen uns nicht nur, dass etwas passiert, sondern auch wie genau es geschieht.

Ein weiteres zentrales Werkzeug, insbesondere in der theoretischen Physik, ist die Reduktion. Wir versuchen, komplexe Sachverhalte auf möglichst einfache, oft idealisierte Modelle zurückzuführen. Reduktion hilft, das Wesentliche zu isolieren – und das Unwesentliche vorerst auszublenden.

Grenzen der Theorien

Doch dabei dürfen wir eines nie vergessen: Mathematische Modelle sind immer Vereinfachungen und Abstraktionen. Sie sind Werkzeuge, keine Abbilder der Wirklichkeit. Eine Theorie ist nicht die Realität – sie ist ein Versuch, Aspekte der Realität zu beschreiben, mit dem Ziel, überprüfbare Vorhersagen zu machen. Und diese Vorhersagen können sich als falsch herausstellen. Eine Theorie lässt sich widerlegen – aber niemals endgültig beweisen.

Zudem müssen wir uns bewusst sein, dass die Mathematik, die wir kennen und nutzen, wahrscheinlich nicht ausreicht, um die volle Komplexität der Welt zu erfassen. Unsere Modelle sind stark – doch sie haben ihre Grenzen.

Schließlich: Eine Theorie beantwortet selten das „Warum“. Sie sagt uns nicht, warum die Welt so ist, wie sie ist. Aber sie kann uns zeigen, wie sie funktioniert – unter welchen Bedingungen etwas passiert, wie verschiedene Größen zusammenhängen, wie aus dem einen das andere folgt. Und genau das macht sie so wertvoll.


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